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Schluss mit der Gefühlssache Werkzeugbearbeitung

01. September 2019

Michael Kohnle hatte zunächst nicht vor, ein Unternehmen zu gründen und zu leiten, sah seine Zukunft eher in der Softwareentwicklung. Es kam anders: Mit dem Start-up iBlade, das seit 2011 existiert, verknüpft er Progammier-Know-how, Digitaltechnik, Automatisationssoftware und Werkzeugmanagement speziell für den Bereich der Zerspanungswerkzeuge. Mittlerweile ist iBlade der Start-up-Phase entwachsen und weltweit im Einsatz. In Deutschland klemmt es noch. Ein Gespräch mit dem Mann, der in Oberbayern verwurzelt und auf der Welt zu Hause ist.

Steigen wir doch gleich bei Ihnen persönlich ein – Sie berichten von sich, dass Sie kein besonders geduldiger Mensch sind, ihr Tool-Management-System iBlade passt da exakt ins Bild: es hilft, Zeit zu sparen – was hat es damit auf sich?

Bei iBlade handelt es sich um eine Daten-Management- und Maschinen-Automatisations-Software verbunden via Chip. Je nach Software-Version bietet es Protokoll- und Analysefunktionen zum automatisierten Produktionsablauf. Es ist „die“ Schnittstelle zwischen Werkzeug und Maschine und bildet dabei den gesamten Prozess ab. Wer iBlade einsetzt findet rasch Fehlerquellen, erhöht die Prozesssicherheit, weiß über aktuelle Standzeiten und kommenden Verschleiß Bescheid, kurzum er spart damit jede Menge Zeit.

Michael Kohnle

Das klingt alles ganz einfach...

Ich komme ja von Kohnle, einem familiengeführten Sägeblatt-Hersteller, wo ich viele Erfahrungen sammeln konnte und auch in der Geschäftsführung bin. Ich bin aber auch Informatiker und habe die Rufe nach Industrie 4.0-Applikationen aufgenommen und mit iBlade konkret in die Tat umgesetzt. Im Zentrum der Entwicklung stand für mich die Frage, wie man Schärfdienste und Werkzeughersteller im Bereich des Prozesses synchronisieren und automatisieren kann. Wir können mit iBlade Kreissägeblätter nachhaltig identifizieren und sämtliche Problemstellungen abbilden und das Ergebnis dann in ein umfassendes Tool Management System inklusive der Messwerte übertragen.

Michael Kohnle

Wie sieht das technisch aus?

Bei iBlade RFID (Radio-Frequency Identification, Anmerk. d. Red.) handelt es sich um einen Transponder in Daumennagel-Größe. Der ist temperatur- und schlagresistent – quasi unkaputtbar – und ist auf dem Werkzeug aufgebracht. Die Datenübermittlung kann über USB oder auch Bluetooth erfolgen.

Michael Kohnle

Welches Ziel wollen Sie mit iBlade erreichen?

Meine Zielsetzung ist es, sowohl den Schärfdienst als auch den Werkzeughersteller im Endeffekt voll zu automatisieren und diese digitalen Daten auch mit dem Endkunden zu verknüpfen. Im Fokus steht die Senkung der Kosten, Reduzierung der Ausfallzeiten, präzise Steuerung der Automatisierung und Optimierung von Prozessen und Arbeitsabläufen. In Kombination mit der neuesten Vermessungs- und RFID-Technik werden mehr Informationen generiert und die eigene Wettbewerbsfähigkeit verbessert. Die Dokumentation des Fertigungsprozesses ist im Endeffekt ein Riesenproblem, speziell im Holz- und Aluminium-Bereich. Im Metallbereich ist man da mittlerweile etwas weiter, aber es gibt insgesamt wenig komplett verknüpfte oder verknüfbare Wissensdatenbanken. Bei den Composite-Materialien, die immer mehr zum Einsatz kommen, geht es darum, welches Werkzeug leistet was und wie kann ich die Werkzeuge ideal einsetzen, was Vorschübe und Drehzahlen angeht. Da gibt es momentan aber noch mehr Lücken als Lösungen. Ich sehe iBlade aber auch als wichtige Investition in den Standort Deutschland: Wenn man hier in Zukunft konkurrenzfähig produzieren will, dann muss man eben besser sein. Besser sein kann man aber nur, wenn man Wissen besitzt – über die Maschine, Drehzahlen, Fertigungsparameter, Kühlmittelkreisläufe, Vibrationen, Materialien usw.

Michael Kohnle

Von welchen Implementierungskosten reden wir bei iBlade?

Unsere Lizenzkosten sind im Endeffekt so gering, dass wir alle Branchen sowohl Holz, Aluminium, Stahl bedienen können und da bei den Kosten weit unter den Konzepten der großen Anbieter liegen. Der Einstieg ist schon ab 1.000 Euro pro Lizenz möglich. Weil wir auch im Holzbereich tätig sind wissen wir, dass die Firmen dort nur bereit sind in eine solche Applikation zu investieren, wenn die Kosten insgesamt überschaubar bleiben. Da das Tool-Management im Bereich der Metallzerspanung anders als in der Aluminium- und in der Holzzerspanung ist, gibt es beí uns unterschiedliche Schwerpunkte und Ansätze. Wenn man zum Beispiel Richtung Aerospace oder Automotive geht, gibt es da schon etablierte Softwareanbieter, die kosten aber ein Vermögen. Da ist man mit 100.000 Euro Projektkosten schnell dabei. Das können sich die großen Firmen leisten aber nicht die kleinen Mittelständler. Wir sind da schlanker und, ich finde, besser und heben uns dadurch ab.

Michael Kohnle

Was kann iBlade alles?

iBlade hat ja eigentlich mehrere Seiten, einmal die RFID-Technik, auf der anderen Seite die Softwareapplikationen für Tool-Management sowohl für den Endkunden als auch für den Schärfdienst oder die Werkzeug-Nachbereitung. Ein wesentlicher Bestandteil sind auch die Vermessungssysteme und Integration in die Schleif- oder Erodiermaschinen.

Michael Kohnle

Sie fühlen sich mit der Tool-Management Software auch als Dolmetscher. Erklären Sie uns das?

Mein Großvater war Pionier und hat den Werkzeughersteller Kohnle gegründet. Meine Mutter als gute Seele der Firma steckt all ihr Herzblut hinein und unterstützt mich in der 3. Generation in jeder Hinsicht. Damit lässt es sich schaffen, den Spagat aus meiner IT-Ausbildung und die Erfahrung der Werkzeughersteller zu kombinieren. Ich habe mich jahrelang als Dolmetscher gefühlt zwischen Programmierern und Fertigern, denn die Vorgaben aus der Fertigung sind für die Programmierer noch lange nicht logisch oder gar umsetzbar. Das dann so aufzugleisen, dass es schließlich funktioniert, ist letztlich dem Umstand zu verdanken, dass ich eben beide Seiten kenne. Sonst wäre iBlade überhaupt nicht entstanden.

Michael Kohnle

Wenn Sie die Entwicklungen auf den Märkten beobachten, sehen Sie Chancen für iBlade?

Deutschland ist für uns ein schwieriger Markt, da man hier mancherorts noch sehr konservativ denkt. Den Begriff 4.0 haben wir vor sieben Jahren – da ist der Begriff noch nicht mal richtig in den Köpfen gewesen – schon auf unseren Plakaten gehabt. Nun merkt man, dass sich etwas tut. Bis vor wenigen Jahren waren Cloud-Lösungen verpönt. Mittlerweile haben wir die Version 3 herausgebracht, die jetzt Hybridmodelle anbietet, Cloudlösungen inklusive. Ein spezieller Kunde möchte beispielsweise standortübergreifend arbeiten und deshalb ist nun High Security und Datenspeicherung im Chip auch kein Thema mehr. Unser Exportanteil liegt momentan bei 95 Prozent. Das umliegende Europa und die USA sind sehr wohl ein Markt für uns, auch Südamerika ist gut.

Michael Kohnle

Sind Sie konkurrenzlos auf dem Markt?

In der Gesamt-Konzeptionierung ausdrücklich, ja! Es gibt schon Tool-Management-Systeme, aber wir bieten ja nicht nur dieses an, sondern die komplette Logistik und den Werkzeugkreislauf dazu. Wir fangen da an, wo ein klassisches ERP aufhört. Weil wir uns wirklich um die unterste Ebene des Managementlevels kümmern, nämlich da, wo es um den Einsatz der Werkzeuge geht. Wenn man zum Beispiel bei einem Kunden ist, der eine Maschine für eine Million kauft, aber die Werkzeuge gar nicht im Blick hat, stellt man fest, welche Defizite es gibt. Diese Werkzeuge kosten vielleicht nur 10.000 oder 20.000 Euro, aber die verrichten dann die Arbeit, die letztlich das Ergebnis des gesamten Prozesses widerspiegelt. Wenn man dann weiß, was an der Schnittstelle Maschine-Werkzeug passiert, dann kann man Produktivitäten teilweise verdoppeln. Weil man zum Beispiel höhere Vorschübe fahren könnte! Oder rechtzeitig eingreifen, wenn etwas schiefgeht, bevor die ganze Charge unbrauchbar ist. Wir haben auch schon Kunden erlebt, die berichtet haben, dass sie 150.000 Euro Werkzeugkosten im Jahr haben, aber nicht wissen, wie viele Werkzeuge überhaupt im Umlauf sind. Sie kennen die Anzahl der Bohrer oder Fräser nicht. Und die Kunden, die von 0 auf 100 mit einem Tool-Management System angefangen haben, weisen im ersten Jahr locker ein Einsparpotenzial von 30-40 Prozent auf. Wenn man den Schärfdienst dann noch mit einbindet, dann ist man auf dem Weg zu höchster Produktivität. Ich traue mich zu behaupten, dass wir bei Kohnle der modernste Schärfdienst Deutschlands sind. Ich habe noch nichts moderneres gesehen. Man kann auch Personal dadurch einsparen. Unsere Software managt sozusagen die Schleifmaschine und schreibt vollautomatisch das Schleifprogramm.

Michael Kohnle

Sind sie vor Ort bei der Installation?

Im Regelfall ja. Gerade bei der ersten Inbetriebnahme. Aber wir haben zum Beispiel einen Kunden in Indien, da haben wir das über Team-Viewer gemacht. Es geht auch – ist zwar etwas mühselig, aber durchaus machbar.

Michael Kohnle

Welche Strategien verfolgen Sie?

Gerade im Diamantbereich gibt es teure und hochwertige Werkzeuge.  Hier wäre es von großem Vorteil, wenn man nicht auf „Erfahrungswerte“ setzt. Wenn man mal das Konzept von einem Toolmanagement verstanden hat, dann will man nicht mehr zurück. Bis jetzt war es immer so, dass jeder Kunde, der gekauft hat, die Jahreslizenz verlängert hat. Das spricht doch für sich. Support und Updates sind immer dabei. Wir entwickeln uns permanent weiter. Wir implementieren permanent neue Standards, Technologien, neue Schnittstellen. Wir sind mit unserem Messsystem für Kreissägeblätter der erste Hersteller, der die Daten so aufbereiten kann, dass man die Daten zum Beispiel auch an die Vollmer-Maschinen übergeben kann. Das ist ein vollautomatisches Messsystem und gibt es in dieser Leistungsklasse nicht auf dem Markt.

Michael Kohnle

Woran arbeiten Sie gerade im Moment?

Crack-Detektion, also die Zahnbrucherkennung. Wir haben zur Ligna ein vollautomatisches System angeboten, das Zahnausbrüche vollautomatisch erkennen kann. Und wenn jemand Kreissägeblätter schleift, dann weiß er, dass immer eine manuelle Handarbeit dazugehört. Wir sind im Kreissägeblätterbereich erstmalig weltweit in der Lage, wirklich die Kreissägeblätter vollautomatisch zu inspizieren und zu schleifen ohne Manneinwirkung! Außerdem haben wir jetzt einen Werkzeugschrank zur Ligna präsentiert, den man in unser Tool-Management-System einbinden kann. Einfache Schränke modernisieren wir mit Login und Zugriffsfunktionen und wir arbeiten an einer automatischen Lagerbuchhaltung bei der man weiß, wo welches Werkzeug ist. Damit Diebstahl auf der einen Seite verhindert und Suchzeiten reduziert werden.

Michael Kohnle

Woher nehmen Sie Ihre Motivation?

Ich würde gerne etwas im Markt verändern. Ich will diese Starre und das Konkurrenzdenken bei uns in der Branche aufbrechen und ich sehe großes Potenzial, ganz besonders hierzulande. Ich will den Umbruch aber alsbald erleben. Ich bin eben sehr ungeduldig!

Michael Kohnle

Vita von Michael Kohnle

Michael Kohnle (38) ist Fachinformatiker und Industriekaufmann und schon mit Mitte zwanzig zu Kohnle gekommen, was von ihm selbst ganz anders geplant war. Sein Großvater, Unternehmensgründer von Kohnle, sah wohl sehr früh sein Potenzial und bat ihn, ins Unternehmen einzusteigen. Michael Kohnle wollte eigentlich noch an einer Hochschule Informatik studieren. Seit 2005 ist er Geschäftsführender Gesellschafter bei Kohnle und seit 2011 beim neu gegründeten iBlade. Als die größten Herausforderungen seines Lebens bezeichnet er den Spagat, die Verantwortung für 40 Mitarbeiter mitsamt Familien zu tragen und privat für seine drei Kinder im Alter von 16, elf und neun Jahren da zu sein. Der Familienmensch verbringt die rare Freizeit am liebsten mit Frau, Kindern und Hund und genießt in diesem Kreis auch gerne gutes Essen.


Quelle | iBlade