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Der Diamant unter den Werkzeugen

01. November 2021

Die Werner Schmitt PKD-Werkzeug GmbH mit Sitz in Niefern bei Pforzheim gehört seit gut 15 Jahren zum Zerspanungsspezialisten Walter. In vielen Bereichen hat sich das Unternehmen mit aktuell gut 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seine Eigenständigkeit bewahrt. Das hängt vor allem mit der Besonderheit der Werkzeuge zusammen, die in Niefern produziert werden: Niefern ist zum einen der einzige Standort von Walter für PKD-Werkzeuge, zum anderen erfordern Entwicklung, Produktion und Einsatz von PKD-Werkzeugen ein ganz spezielles Know-how. Die Maschinenbau- und Produktionstechnikingenieurin Dr. Vikki Franke ist seit Mai 2021 für den Standort als Produktionsleiterin verantwortlich. Im Interview sprechen wir über die Rolle von PKD-Werkzeugen in der Walter Strategie, ihre Pläne und Visionen für die Production Unit sowie über aktuelle Herausforderungen in der Branche

Die Werner Schmitt PKD-Werkzeug GmbH ist Spezialist für die Auslegung, Konstruktion und Fertigung von Werkzeugen mit PKD- und CBN-Schneiden.


Frau Dr. Franke, Sie haben vor knapp einem halben Jahr die Produktionsleitung bei der Werner Schmitt PKD-Werkzeug GmbH übernommen. Und dass in einer besonders herausfordernden Situation: Auch im Maschinenbau und in Ihren Zielbranchen kämpft man mit den Spätfolgen der Pandemie. Wie sehen Sie die vergangenen Monate?

Dr. Vikki Franke: Wenn ich die letzten sechs Monate in einem Wort zusammenfassen würde, wäre das wahrscheinlich “Flexibilität”. Und das wirklich auf allen Ebenen. Wie alle Unternehmen begleitet auch uns immer noch die Covid-19-Pandemie und ihre weltweiten Folgen – vermittelt über unsere Kunden. Wir selbst arbeiten fast wieder normal, natürlich nach den geltenden Hygiene- und Sicherheitsvorschriften. Was wir spüren, ist die hohe Volatilität im Markt. Durch die Lieferengpässe bei Halbleitern und anderen wichtigen Vorprodukten kommt es bei unseren Kunden, die vor allem aus der Automobilindustrie, dem Bereich Luftfahrt und aus der Energiewirtschaft kommen, immer wieder zu Einschränkungen der Produktion und die Unsicherheit für die weitere Planung nimmt zu. Das spüren wir dann an den Auftragsschwankungen. Der Schwerpunkt in meinen ersten Monaten bei Werner Schmitt lag deshalb darin, eine hohe Flexibilität in der Produktion zu erreichen.


Wie war der Start in die neue Position als Produktionsleiterin für Sie persönlich?

Dr. Vikki Franke: Das Team bei Werner Schmitt und die Mitarbeitenden in Niefern haben mich sehr positiv und engagiert aufgenommen. Alle sind sehr offen, was es mir leicht macht, auch in Themen hineinzukommen, die für mich neu sind. Mir war natürlich klar, dass der Wechsel von der Leitung des Walter Technology Centers in Tübingen nach Niefern in die Verantwortung für einen reinen Produktionsstandort intensiv sein wird. Aber vom theoretischen Wissen in den praktischen Arbeitsalltag ist es dann doch noch mal etwas anderes. Das Team und ich haben gerade sicherlich eine richtig steile Lernkurve. Das klingt anstrengend, ist es manchmal auch, aber das ist auch meine eigentliche Motivation: Ich lerne gerne jeden Tag etwas Neues – und ich mag motivierte, begeisterungsfähige und offene Menschen.


Automobilindustrie, Luftfahrt und Energiewirtschaft – das sind Branchen, die an ihre Zulieferer extrem hohe Ansprüche stellen. Wo sehen Sie den USP Ihres Unternehmens?

Dr. Vikki Franke: Aus Gesprächen mit Kunden und mit unseren Vertriebstechnikern weiß ich, dass gerade Kunden mit anspruchsvollen Anwendungen uns für die hohe Engineering Kompetenz und Verlässlichkeit schätzen, nicht nur auf das konkrete Werkzeug bezogen. Unser Kerngeschäft ist die Auslegung, Konstruktion und Fertigung von Werkzeugen mit PKD- oder CBN-Schneiden zum Bohren, Reiben, Fräsen und Drehen. Kunden profitieren von der intensiven Unterstützung durch unsere Anwendungsexperten entlang der gesamten Prozesskette.


In welchen Bereichen ist Ihr Unternehmen besonders leistungsstark und innovativ?

Dr. Vikki Franke: Aktuell fertigen wir im Bereich Automobilindustrie vor allem Werkzeuge für die Bearbeitung von Gehäusen, Fahrwerkskomponenten (Achsschenkel, Achsträger, Querlenker), Alu-Bremszylinder, Ventilblöcke und die Gussbearbeitung. Dazu kommen Bauteile für alternative Antriebe wie Elektromobilität und Brennstoffzelle. Unsere Reibahlen sind gefragt für präzise, lange Bohrungen, für Lagergassen und Nockenwellenlagerungen. In der Luftfahrtindustrie kommen unsere PKD-Werkzeuge bei der Zerspanung von Strukturbauteilen zum Einsatz.

An meiner Aufzählung kann man schon erkennen: Besonders stark sind wir bei komplexen Anwendungsfällen. Unsere Experten haben viel Erfahrung in der Entwicklung von wirtschaftlichen Lösungen und Sonderwerkzeugen für den spezifischen Anwendungsfall. Rund 97% unseres Angebots machen Sonderwerkzeuge aus, zusätzlich haben wir ein kleines Standardprogramm.


Dieses Jahr wird Deutschland die magische Zahl von einer Million E-Autos wohl knacken. Die Chefs großer Automobilkonzerne verkünden das endgültige Aus für den Verbrennungsmotor. Für Zerspanungswerkzeughersteller sind das nicht nur gute Nachrichten, Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb benötigen weniger und oft auch weniger komplexe Bauteile. Wie sehen Sie das eigene Unternehmen strategisch positioniert?

Dr. Vikki Franke:  Für das Werkzeug- und Anwendungsspektrum, das wir mit unseren PKD- und CBN-Werkzeugen abdecken können, sehe ich die Entwicklung vor allem positiv. Bereits aktuell machen Lösungen für die Aluminiumzerspanung über 70% unseres Geschäfts aus – und Aluminiumlegierung und andere anspruchsvoll zu zerspanende Leichtbaumaterialien sind die Werkstoffe der Wahl für eine CO2-reduzierte Mobilität. Das gilt ganz ähnlich auch für die Luftfahrtindustrie. Und vor allem wenn höchste Präzision in der Großserienfertigung gefragt ist, ist das Zerspanen mit PKD-Werkzeugen von anderen Techniken schwer zu schlagen.


Wie schätzen Sie die Situation für die Aluminiumzerspanung am Markt ein?

Dr. Vikki Franke: Bauteile aus Aluminium waren vor wenigen Jahren noch dem Premiumsegment im Fahrzeugmarkt vorbehalten. Das hat sich mit der zunehmenden Priorisierung der Reduktion des CO2-Ausstoßes deutlich geändert, denn hier gehört die Gewichtsreduktion zu den wichtigsten Stellschrauben. 100kg weniger Fahrzeuggewicht bedeuten 0,3 bis 0,4 Liter weniger Kraftstoffverbrauch. Bei elektrisch betriebenen Fahrzeugen spielt Aluminium noch eine größere Rolle: Während der verstärkte Einsatz von Aluminium in »Verbrennern« in erster Linie der Gewichtseinsparung dient, verwenden Elektroautos Aluminium für verschiedenste Komponenten des Antriebsstrangs wie Batteriegehäuse, Motoren, Wechselrichter, Umrichter, Ladegeräte, Wärmepumpen oder Untersetzungsgetriebe. Werkstoffe wie geschmiedete Aluminium-Knetlegierungen oder duktile Aluminium-Gusslegierungen mit niedrigem Siliziumgehalt finden sich deswegen zunehmend in allen Fahrzeugklassen. Um die ehrgeizigen Klimaziele, wie sie zum Beispiel die EU im European Green Deal festgelegt hat, wirklich zu erreichen, wird sich die Bedeutung von Leichtbauteilen noch deutlich erhöhen – und das auch in Bereichen, an die man jetzt noch gar nicht denkt.


Wie sehen Sie die Entwicklung für Ihr Unternehmen?

Dr. Vikki Franke: Für uns gehe ich deswegen, mal abgesehen von den aktuellen Volatilitäten im Markt, davon aus, dass sich der Markt erweitern wird. Und dass wir mit unserem umfassenden technologischen und Prozess-Know-how im Bereich PKD-Zerspanung besonders auch für die Zulieferer ein attraktiver Partner sind, die sich bisher wenig Kompetenzen mit den Besonderheiten der Aluminiumzerspanung aufgebaut haben. Im Verbund mit unserer Muttergesellschaft Walter und deren Entwicklerteam, das ich ja von meiner Tätigkeit als Leiterin des Industriesegments Energie sehr gut kenne, können wir Bestandskunden und neuen Kunden hier ein umfassendes Angebot machen. Von der Arbeitsvorbereitung über die Prozessauslegung, Konstruktion, Qualitätssicherung, Logistik und Tool Management, bis hin zum ebenfalls sehr wichtigen Reconditioning.


Was macht den Reiz an Ihrer Tätigkeit aus? Was liegt Ihnen besonders am Herzen?

Dr. Vikki Franke: Meine Position als Produktionsleiterin in Niefern ist ein spannendes Wachstumsfeld für mich, mit sehr vielen Facetten und einer hohen Vielfalt. Das finde ich spannend. Eine komplexe Aufgabe technisch elegant zu lösen, das war schon in der Schule meine Motivation, mich auf die MINT-Fächer zu fokussieren. Auch wenn meine Arbeitstage oft angefüllt sind mit Besprechungen, ist es mir sehr wichtig oft in der Produktion zu sein und dort zu sehen, welche Herausforderungen anstehen. Ich möchte mit meinen Mitarbeitern im Gespräch sein, ihre Begeisterung wecken und gemeinsam schauen, wie sie sich bei uns weiterentwickeln können.

Vita Dr. Vikki Franke:

Dr. Vikki Franke wusste schon mit 15, was sie wollte: Maschinenbau-Ingenieurin werden. Im Gymnasium wählte sie Mathematik und Physik als Leistungsfächer. An der Technischen Universität Kaiserslautern studierte sie Maschinenbau und Verfahrenstechnik. 2006 machte sie dort ihr Diplom; 2010 promovierte sie mit einer Arbeit zu „Einfluss der Werkzeugschneidkante auf die Bohrungsqualität bei der spanenden Bearbeitung langfaserverstärkter Kunststoffe“ bei Prof. Dr. Aurich. Die Walter AG lernte sie bereits während ihrer Tätigkeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Fertigungstechnik und Betriebsorganisation kennen. 2011 wechselte sie nach Tübingen, als Projektleiterin in der Abteilung für Forschung und Entwicklung. Sehr schnell bekam sie bei Walter weitere Führungsaufgaben übertragen: Vorsitz der Steering Group Produkt- und Technologieentwicklung sowie 2016 die Leitung des Segmentes Energie im Business & Application Development. Ab 2018 leitete Dr. Vikki Franke das Walter Technology Center in Tübingen. Seit Mai 2021 ist sie Produktionsleiterin der Werner Schmitt PKD-Werkzeug GmbH in Niefern.


Quelle | Walter Tools