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Die perfekte Welle

01. September 2019

„Alles in einer Aufspannung“ ist das Credo des niederösterreichischen Sondermaschinenbauers GST

Die Parallelen zwischen Spitzensport und Highend-Fertigung liegen bei Günter Hacker ganz nahe beieinander. Nicht nur, dass er ein erfolgreicher Handball Manager war – er führte Union Stockerau einst in die österreichische Herren-Bundesliga – nein, er führt zusammen mit Franz Hein auch den österreichischen Sondermaschinenbauer GST. Das Unternehmen mit Spezialisierung auf Wellenschleifprozesse ist anerkanntermaßen in der Champions League der Automobilbranche zu Hause, ist ein Global Player – aber tief verwurzelt in Niederösterreich.


„Eigentlich kommen wir aus dem Bereich der Retrofit-Maschinen“, erinnert sich Günter Hacker, wenn er an die Gründerzeit von GST zurückdenkt. „Beim Drehmaschinen
-bauer Nikolaus Heid in Stockerau und bei Siemens, wo ich als Elektromechaniker lernte, kam ich schon früher mit dem Thema Reparaturen und Wieder-Instandsetzung in Berührung.“ 1992 bildete die Retrofit-Idee dann den Kern des Unternehmens GST, gegründet von ehemaligen Mitarbeitern der Firma EHM (Elb-Heid-MSO) in Stockerau, das nur ein paar Kilometer vom jetzigen Standort Sierndorf im niederösterreichischen Weinviertel entfernt liegt. „Im Laufe der Zeit bekamen wir es bei GST mit allen gängigen Werkzeugmaschinen aus dem Schleifbereich zu tun und wir haben dann ein Gespür für die Stärken und die Funktionalitäten einer jeden Maschine entwickelt. Wir erhielten profunde Kenntnisse über Maschinen, Antriebe, Störungen aller Art. Die Unternehmensphilosophie war zunächst, ältere Maschinen möglichst effizient zu überholen und die Steuerungs- und Antriebstechnik inkl. der Sicherheitstechnik auf den neuesten Stand der Technik zu heben. Nach und nach kamen die Kunden aber auch mit konkreten Vorstellungen auf uns zu, welche Bauteile sie mit ihrer Altmaschine weiterhin fertigen wollten, so wurde aus dem bloßen Wiederinstandsetzen von Werkzeugmaschinen oft eine Sonderfertigung auf Basis vorhandener Werkzeugmaschinen.“ So mussten zum Beispiel Maschinen um eine Automatisation oder ein Messsystem ergänzt, um Spindeln und eine Achse erweitert werden, Elektrik und Schaltschränke mussten erneuert werden.

„Teilweise haben wir beim Retrofit auch die Antriebsart verändert: von hydraulisch auf elektrisch usw. umgestellt, Kühlsysteme umgerüstet, neue Schnittstellen implementiert, zeitgemäße Sicherheitsstandards beachtet, kurzum: Mit einem reinen Werkstatt- oder Reparaturbetrieb im klassischen Sinne hatte GST schon bald nichts mehr gemein. Wir bauten systematisch eine Konstruktionsabteilung mit allem was dazu gehört auf und immer mehr war auch die EDV-Anbindung bzw. Einbindung in Fertigungslinien und die Automation gefragt, aus NC-Maschinen wurden moderne CNC-Maschinen mit State of the art-Steuerung“, erinnert sich Hacker.



Alles in einer Aufspannung


„Mit der Zeit haben wir aus den besten Retrofits die effektivsten Lösungen herausgefiltert und darauf aufbauend ganz eigenständige Maschinen entwickelt“. Die innovativen Maschinenideen von GST begannen am Markt Fuß zu fassen, sich herumzusprechen, bis in die Tiefen der automobilen Fertigung. „Bei unseren Überlegungen spielt der Gedanke alles in einer Aufspannung bearbeiten zu können die zentrale Rolle“, berichtet Hacker. „Das hat zwei Gründe: Zum einen bedeutet Umspannen immer Maschinen-Nebenzeiten, was Kosten verursacht. In Hinblick auf Prozesstreue und Maßhaltigleit besteht beim Um- oder neu Aufspannen immer auch das Risiko, Ungenauigkeiten oder thermische Veränderungen in des Systems Maschine-Werkzeug einzubringen. Der ganz praktische Nebeneffekt der Fertigung auf einer Maschine ist natürlich auch, dass man die Anschaffungs- und Energiekosten einer weiteren Maschine und Stellplatz einspart. Das ist vor allem für Firmen, die an Ihrem Standort räumlich nur begrenzt expandieren können, interessant. Aus diesem Anforderungsprofil entspringen unsere Synchronschleifmaschinen, also quasi zwei identische Automaten in einem Gehäuse“, erklärt Hacker.


Aber das ist nur eine der Innovativen Ideen „Made in Sierndorf“: Für die Serienfertigung von E-Mobility-Rotorwellen entwickelte GST einen Standardmaschinen-Typen mit einer Doppelspindel, die unter dem Namen GST C/CBN Complete, firmiert. Darin erfolgt die komplette Schleifbearbeitung von Rotorwellen mit einem Korund-Scheibensatz und das gleichzeitige Geradeeinstichschleifen von Durchmessern, Planflächen und Einstichen mit einem galvanischen CBN-Scheibensatz. Das heißt: beide Spindeln sind gleichzeitig im Eingriff und die Maschine ersetzt zwei bis drei konventionelle Maschinen.


Damit sind wir beim Kern von GST angelangt: das Unternehmen fühlt sich in der Fertigung von maßgeschneiderten Rundschleifmaschinen zur Bearbeitung von Wellen aller Art, egal ob es sich um Schrägeinstich-, Doppelspindel, Pendelhub, oder Satzstichmaschinen für die Motorenfertigung handelt, zu Hause. „Unsere Expertise liegt ganz klar hier in einem Genauigkeitsbereich bis +/- 2µ.“  


Ein weiteres Beispiel für eine Komplettbearbeitungsmaschine zum Wellenschleifen sind die Maschinentypen GST Double Jet bzw. Double Cycle – die Doppel- bzw. Dreispindelmaschinen zum Bearbeiten von Flansch, Zapfen, Nadellagerbohrung in einer Aufspannung. Bei Getriebewellen können damit auch Schultern und Einstiche bearbeitet werden. Der Double Jet ist für 1.200 Stück/Tag, der Double Cycle gar für 2.000 Stück/Tag im Dreischichtbetrieb ausgelegt. „Ziel ist immer die perfekte Welle, die höchsten Anforderungen genügt“, so Hacker. Mittlerweile sind die Maschinen auch keine Nischenprodukte mehr, trotz aller Individualität: Bis zu 800.000 Teile im Jahr pro Maschine werden auf GST Schleifautomaten bei den großen Automobilherstellern bearbeitet.

 


 

Alles 100 % „Made in Sierndorf“


Wenn man früh um neun Uhr durch die Hallen von GST geht, sieht es so gar nicht nach einem Unternehmen aus, das unter hohem Qualitätsdruck fertigt und volle Auftragsbücher, ja gar Lieferzeiten bis zu zwölf Monaten hat: Um diese Zeit ist die erste Pause am Tag, 15 Minuten lang können die GST-Mitarbeiter ausspannen, ihren zweiten Morgenkaffee trinken, sich austauschen, „und das ist bezahlte Arbeitszeit“ berichtet Günter Hacker. Ihm ist es wichtig, ein Wohlfühl-Klima zu schaffen und mit einer großen Stammbelegschaft zu arbeiten: „Das ist wie im Sport, nur ein motiviertes Team, das zusammensteht, hat dauerhaft Erfolg“, ist er sich sicher. „Und nur, wer auch lohnende Pausen macht, kann danach wieder Höchstleistung bringen.“, die Hacker seinen Mitarbeitern selbstverständlich abverlangt, denn die Technologieführerschaft im Bereich der Wellenbearbeitungs-Automaten muss genauso hart verteidigt werden, wie der Erste Tabellenplatz, weiß der Handball-Manager.


Damit GST immer auf der Höhe der Zeit ist, gibt es neben der firmeneigenen Entwicklungsabteilung auch technologische Partnerschaften im Markt, zum Beispiel mit den Werkzeugherstellern Tyrolit oder Theleico und Kooperationen mit Forschungseinrichtungen. GST wickelt immer wieder Projekte mit der österreichischen Forschungsfördergesellschaft FFG ab und arbeitet mit zahlreichen technischen Hochschulen zusammen, die ihre Expertise im Schleifbereich haben. GST-Maschinen stehen zum Beispiel am IFT (Institut für Fertigungstechnik) der Universität Wien oder in der TU Graz und es gibt regelmäßig Austausch und Wissenstransfers von der Theorie in die Praxis oder umgekehrt, „von der wir als Unternehmen sehr stark profitieren“, berichtet Hacker.


Eine fast einhundertprozentige Stammbelegschaft sorgt dafür, dass das erworbene Know-how im Unternehmen bleibt und an die nächste GST-Generation weitergegeben werden kann. „Um unseren wachsenden Personalbedarf zu decken, rekrutieren wir junge Mitarbeiter teilweise direkt von den Technikerschulen, wir sind aber auch Ausbildungsbetrieb in der mechanischen und elektrischen Konstruktion, in der Programmierung, Montage, Fertigung und Inbetriebnahme und im Büro.“ Ja, und trotz eines Großauftrags, der kürzlich erst hereinkam und der viel Spielraum für unternehmerische Phantasie ließe, will GST auf seinem eingeschlagenen Weg bleiben: weiter hoch spezialisierte Rundschleifmaschinen herstellen, Retrofits, Service und Wartung leisten. Dort habe man Erfahrung, als Inhaber geführter Mittelständler würde es aus Hackers Sicht keinen Sinn machen, sich weiter zu diversifizieren, sprich noch andere Maschinentypen herzustellen. „Im Bereich der Rundschleifmaschinen und der Wellenbearbeitung haben wir ein Alleinstellungsmerkmal und einen Namen, der für höchste Qualität und Präzision steht, dank unserer innovativen Ideen. Und hier am Standort Sierndorf wird die Maschine nicht nur konstruiert, sondern auch komplett gefertigt, montiert, programmiert, getestet. Bei uns ist alles 100% Made in Sierndorf und das wird auch so bleiben. Wenn wir unser Portfolio verbreitern würden, bestünde zunehmend auch die Gefahr, dass wir Allerweltsautomaten bauen und eventuell einen ungesund schnellen Wachstumskurs beschreiten. Unser Anspruch ist es aber, die Schleiftechnologie und GST solide in die Zukunft zu führen, mit aller gebotenen Umsicht. Dabei nutzen wir unsere gesammelten Erfahrungen aus Retrofit, Maschinenbau, Kundenkontakten, Forschung und Service.“ Allerdings bedeutet der neue Großauftrag, dass Günter Hacker schon wieder auf Mitarbeitersuche gehen und die richtigen Talente verpflichten, den guten Teamgeist erhalten muss, um weiterhin einen Spitzenplatz in er Champions League der Schleifautomation behaupten zu können.

Vita Günter Hacker

Günter Hacker, Jg. 1959 lernte bei Siemens in Wien den Beruf des Elektromechanikers, kam dann 1979 zu Heid und machte sich 1992 zusammen mit Franz Hein, Jg. 1958, selbständig und gründete GST.

Hacker ist begeisterter Sportler, spielt beim SC TT Stockerau aktiv Tischtennis und managte von 2004 bis 2012 die 1. Herren- Handball-Mannschaft des UHC Stockerau, führte diese 2011 in die Bundesliga.
Wenn er eine Auszeit vom Managen braucht, zieht er sich in seinen Garten zurück, geht wandern oder fährt (natürlich auch sportlich ambitioniert) Fahrrad.

Er ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Stockerau.


Quelle | GST