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Geballte Power in Familienhand

30. Oktober 2020

Familienunternehmen sind in ihren Ausprägungen ebenso vielfältig wie unterschiedlich, so dass eine einheitliche Definition eher schwerfällt. Dennoch haben sie einiges gemeinsam: In der Regel bauen sie alle auf ein solides Fundament, sie arbeiten nachhaltig, sind verlässlich und gehen mit Freude und Motivation an die Aufgaben heran. Familienunternehmer/innen wissen in der Regel ganz genau, was gut für ihre Firma und deren Mitarbeiter ist. Je komplexer die Welt wird – etwa durch Handelskriege oder durch die disruptiven Veränderungen der Digitalisierung, desto mehr schätzt man die Zuverlässigkeit, die ein Familienunternehmen bietet.

Ein solches innovatives und flexibles Familienunternehmen ist die Breu Diamantwerkzeug GmbH mit (Haupt-)Sitz und Produktionsstandort in Arbon (CH) am Bodensee. Seit mehr als 25 Jahren gilt Breu als Spezialist für die Fertigung und Beschichtung hochwertiger galvanischer Diamant- und CBN-Werkzeuge. Dass alle vier Söhne sich für die Arbeit im elterlichen Betrieb begeistern können, bezeichnet Christel Breu als Glücksfall und ist gleichzeitig ein riesiger Motivationsfaktor für die 60-Jährige. Dabei lief in der Firmengeschichte lange nicht alles so reibungslos. Mit dem plötzlichen Tod ihres Mannes Rudolf Breu 2014 wurde die ganze Familie und damit auch das gesamte Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Wie sie es geschafft haben, das Vakuum durch den Tod des Vaters und Ehemannes auszufüllen, verraten Christel Breu und Sohn Silvio im Interview.

Frau Breu, Sie und Ihr Mann haben 1996 die Breu Diamantwerkzeug GmbH gegründet. Wie kamen Sie beide auf die Idee der Selbständigkeit?

Schon seit 1979 produzierte mein Mann galvanische Werkzeuge. Er war Minderheitsaktionär eines Unternehmens hier in der Schweiz und irgendwann fasste er den Entschluss, galvanische Werkzeuge mit seinem langjährigen Know-how im eigenen Unternehmen zu produzieren. Das war dann die Geburtsstunde der Breu Diamantwerkzeug GmbH. 2006 wurde dann noch der Standort in Brasilien gegründet. Zwei unserer Söhne (Rico, Patrick) nahmen 2009 dort die Produktion für den brasilianischen Markt auf.

Christel Breu

Mit gerade Mal 58 wurde Ihr Mann plötzlich aus dem Leben gerissen. Wie gestaltete sich nun die ganze Situation bei Breu?

Es war eine sehr schwere Zeit für uns alle. Neben dem plötzlichen schmerzhaften Verlust meines Mannes und des Vaters unserer Kinder, wurde mein Leben plötzlich komplett auf den Kopf gestellt. Alle Arbeitsabläufe mussten wir erstmal auf uns abstimmen. Ich hatte persönlich noch keine Ahnung von der Produktion, zwar war ich mit der Buchhaltung vertraut und kannte auch den Kundenstamm. Aber die Prozesse der Galvanik, den Unterschied zwischen Diamant und CBN waren mir damals völlig fremd. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mir alles akribisch Stück für Stück zu erarbeiten. Alle Mitarbeiter in der Firma rückten zusammen, jeder hatte nur noch ein Ziel: den Fortbestand der Breu GmbH.

Christel Breu

Silvio, wie haben Sie die Zeit erlebt, als 2014 ihr Vater verstarb? Welche Rolle nahmen Sie ein?

Nun es war schon immer mein Wunsch, im elterlichen Betrieb zu arbeiten. Schon als kleiner Junge fuhr ich mit meinem Rad hier in die Firma und verdiente mir am Wochenende regelmäßig ein kleines Taschengeld. Ich entschloss mich für eine Lehre als Polymechaniker in einem ortsansässigen Unternehmen, arbeitete dort noch einige Monate, bis ich zu meinen Brüdern nach Brasilien aufbrach, um dort die „Galvanik“ zu erlernen. Danach kam ich zurück und zwei Monate später waren wir mit dem plötzlichen Tod meines Vaters konfrontiert. Nach meiner Lehre hatte ich ursprünglich noch viele andere Pläne. Gerne hätte ich noch weitere Aus- und Fortbildungen gemacht. Aber das Ganze wurde dann erst mal auf Eis gelegt. Jedoch hatte ich das beste „Studium“ mit Learning by Doing, das man sich nur vorstellen kann. Vieles musste ich mir selbst erarbeiten und eigene Erfahrungen sammeln. Zusammen mit meinen Brüdern, dem engagierten Team und der Mutter an der Seite haben wir es geschafft, nicht nur die Arbeitsplätze zu erhalten, sondern das ganze Unternehmen nach vorne zu bringen.

Silvio Breu

Was gestaltete sich als die größte Herausforderung?

Wir hatten in der Firma weder eine gute Struktur noch eine transparente Organisation. Die Arbeitsabläufe waren nur meinem Mann bekannt und alle anderen Mitarbeiter haben sich an ihm orientiert. Wir waren damals noch nicht zertifiziert und waren gerade erst dabei, uns auf das erste Audit vorzubereiten. Kurzum, wir standen vor einem riesigen „Berg“. Wir haben uns dann explizit um das bevorstehende Audit gekümmert und außerdem ein Produktionsplanungssystem eingeführt. Bald sahen wir wieder Licht am Horizont.

Christel Breu

Welcher glückliche Umstand kam Ihnen dann noch zu gute?

 

Wir hatten motivierte und langjährige Mitarbeiter, jedoch einen Mangel an Fachkräften. Es war sehr schwierig, in kurzer Zeit zusätzlich kompetente und erfahrene Mitarbeiter zu gewinnen. 2016 wurde dann das Unternehmen, in dem mein Mann vor der Selbständigkeit gearbeitet hatte, geschlossen. Somit konnten wir diese Fachkräfte für unser Unternehmen hier in Arbon gewinnen, natürlich auch Kunden. Das war tatsächlich ein großer Glücksfall für uns und der Grundstein für unser späteres Wachstum.

Christel Breu

Bereits Ende 2015 nahmen wir die Planung vom Neubau in Angriff, welchen wir 2017 beziehen konnten. Mit dem Know-How vom brasilianischen Standort konnten wir nun die Produktion von Werkzeugen für die Verzahnungsindustrie aufbauen.

Silvio Breu


 

Sie erwähnten die Verzahnungsindustrie. Gerade im Bereich der Verzahnungswerkzeuge haben Sie große Marktanteile gewonnen. Was zeichnet Sie gerade hier besonders aus?

 

Wir verfügen über eine eigens entwickelte Software für die Werkzeugauslegung im Bereich Wälz- und Profilschleifen. Das macht uns in der Entwicklung und Fertigung der Werkzeuge sehr flexibel und effizient.

Silvio Breu

Etliche Marktbegleiter haben ihren Sitz im europäischen Raum. Erleben Sie „Made in Switzerland“ eher als Standortvor- oder -nachteil?

Sowohl als auch. Schweizer Produkte haben einen sehr guten Ruf, der weit über die Grenzen hinausgeht. Gerade im Werkzeug- oder Uhrenbereich steht die Schweiz für Perfektion und Präzision. Aber natürlich scheuen viele Kunden den Zoll, so dass wir es als dringend notwendig erachtet haben, eine Niederlassung in Deutschland zu errichten. Sie wurde zum 1.9.2020 in Maintal bei Frankfurt gegründet.
Silvio Breu: Gerade, wenn es um die Wiederbeschichtung der Werkzeuge geht, brauchen wir einen Ansprechpartner und eine Serviceadresse in Deutschland. Die Mehrzahl unserer Kunden haben Ihren Sitz im europäischen Raum. Jetzt sind wir quasi vor Ort und können durch eine unbürokratische Abwicklung einen Mehrwert liefern. Das ist nun wieder ein wichtiger Meilenstein für Breu Diamantwerkzeuge.

Christel Breu

Obwohl Sie hier in Arbon und auch in Brasilien nun wunderbar aufgestellt sind, die Umsätze stets in die richtige Richtung zeigen, die Firma sich prächtig entwickelt hat, zeigen sich denn auch ein paar dunkle Wolken am Horizont?

Ganz klar - Der Automobilsektor, insbesondere die Klimadebatte und die Dieselthematik bereiten uns Sorgen. Es herrschen wirtschaftsfeindliche Unsicherheiten und wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen am gesamten Markt. Keiner weiß, wohin sich das Ganze noch entwickeln wird. Jeder fährt nur noch auf Sicht, nur wenige investieren…

Silvio Breu

Wie reagieren Sie auf diese Veränderungen?

Wir bedienen erfreulicherweise - über die Automobilindustrie hinausgehend - sehr spezielle Branchen. Teilweise produzieren wir Werkzeuge, die sonst niemand herstellt. Vor allem, wenn es um kleine Körnungen, respektive Mikrodiamant geht. Wir beschichten beispielsweise bis D7 für den Bereich der Mikroelektronik. Hier sehen wir auch unsere Chancen und fühlen uns gut aufgestellt.

Christel Breu

Frau Breu, Sie sind Mutter von vier Söhnen, die gerne die Unternehmensnachfolge von Breu antreten möchten. Damit geht es Ihnen weitaus besser, als anderen Betrieben, bei denen vieles wegen fehlender Nachfolge ungeklärt bleibt. Treibt Sie das auch an?

Auf jeden Fall! Alle gehen energiegeladen und enthusiastisch an ihre Aufgaben heran und können sich wunderbar verwirklichen. Das ist ein großartiges Geschenk. Gleichzeitig nimmt sich aber niemand zu wichtig und jeder kann sich auch zurücknehmen. Es gibt keine Rivalitäten zwischen den Brüdern (ausser auf der Kartbahn). Zumal zwei meiner vier Jungs in Brasilien das Zweigwerk führen. Wir sehen uns wenige Male im Jahr und bringen uns gegenseitig eine große Wertschätzung entgegen. Jeder füllt seinen eigenen bevorzugten Bereich aus. Einer übernimmt mehr die Galvanik, der andere die Administration oder fühlt sich zuständig für den mechanischen Bereich. So darf ich mich bald aus der Unternehmensverantwortung zurückziehen. Wir sind alle ein großes Erbe angetreten, mit großen Herausforderungen, haben aber alles zusammen wunderbar gemeistert. Der Erfolg gibt uns recht.

Christel Breu

Sohn Mario tritt nun auch bald in Ihre Fußstapfen. Noch befindet er sich in den letzten Zügen seines Maschinenbaustudiums an der ETH Zürich und arbeitet gerade an seiner Masterarbeit. Welchen Part wird er dann übernehmen?

Hauptsächlich wird er die Entwicklung und technische Leitung übernehmen. Zudem wird er Silvio bei der Produktionsleitung unterstützen. Beide werden gemeinsam Projekte besser planen und umsetzen können. Zusätzliche Produkte und Neuentwicklungen stehen dann im Fokus. Dafür bleibt einfach im Moment viel zu wenig Zeit. Deshalb freuen wir uns, wenn er uns ab nächstem Frühjahr in Arbon ergänzt.

Christel Breu

Vita Christel Breu

Christel Breu, würde, wenn sie nicht die Geschäfte ihres Mannes hätte übernehmen müssen, ein Tanzstudio leiten. Der Tanz schafft aber auch heute noch den nötigen Ausgleich zum manchmal belastenden Büroalltag. Leidenschaftlich gerne besucht sie ihre beiden Söhne in Brasilien und genießt dort das leichte und fröhliche Lebensgefühl. Sobald auch Sohn Mario die Geschäftsführung in Arbon zusammen mit Silvio übernimmt, plant sie, längere Aufenthalte in Brasilien zu verbringen oder noch anderweitig viel zu reisen. Ein großer Traum: Die Panamericana – ein Roadtrip auf der längsten Straße der Welt zwischen Alaska und dem Feuerland. Bis dahin stehen aber noch viele Spaziergänge mit Golden-Boxer-Hund Kira an, er ist gemeinsamer Neuzuwachs der Breu-Firmen-Familie.

Vita Silvio Breu

Für Silvio war es anfangs sehr schwierig, als 23-jähriger geschäftsführend für alle „Breu-Belange“ verantwortlich zu sein. Es fehlte zunächst an Akzeptanz intern als auch bei den Kunden, das musste er sich erst erarbeiten. Meistens arbeitet Silvio sechs Tage die Woche in und an der Firma, momentan vor allem an der ständigen Verbesserung von Produktionsabläufen. Sonntags genießt er die Ruhe zu Hause, ein gemütliches Spätaufsteherfrühstück mit seiner Freundin und einfach den Tag leben - ohne Termindruck und Verpflichtungen. Ein Traum von ihm wäre ein Kleinbauernhof. Besonders dankbar ist er für den gemeinsamen Erfolg und dafür, dass alle Familienmitglieder für eine Idee brennen: die Weiterentwicklung und ständige Innovation der Breu Diamantwerkzeug GmbH.