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Zukunftsfähig führen – Sind Sie vorbereitet?

02. März 2023

Laut einer repräsentativen Umfrage des Instituts Allensbach führen deutsche Chefs nicht zukunftsorientiert und verspielen damit den Respekt ihrer jungen Mitarbeitenden. Denn diese erwarten, dass ihre Führungskräfte ihre Werte verstehen und sich darauf einstellen. Was müssen Manager oder gute Leader also tun, um ihr Team langfristig erfolgreich zu halten und die Herausforderungen und Krisen in diesen Zeiten zu managen? Warum hat Führung trotz vorhandenem Leadership-Knowhow ein immer grösser werdendes Glaubwürdigkeitsproblem?

Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung, gesellschaftliche Umbrüche sowie die Erwartungen der anspruchsvollen Generationen Y und Z machen ein Festhalten an traditionell-hierarchischen Strukturen offenbar zum KO-Kriterium.

78 Führungskräfte und 273 Nachwuchskräfte aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung wurden in der Allensbach-Studie befragt. Auffälligstes Ergebnis: Junge Arbeitnehmer schätzen ihre Vorgesetzten deutlich kritischer ein als die Vorgesetzten selbst – und das bei zentralen, zukunftsrelevanten Aspekten. Während zum Beispiel 84% der befragten Chefs finden, dass sie Absprachen zuverlässig einhalten, sind nur 55% der befragten jungen Angestellten der gleichen Meinung.

70% der Chefs finden, dass sie Veränderungen im Arbeitsumfeld erfolgreich begründen könnten – von den Nachwuchskräften sehen das nur 38 Prozent so. Selbstbild und Fremdbild weichen also stark voneinander ab. Dabei wäre gerade Zuverlässigkeit eine wichtige Eigenschaft von Vorgesetzten, um Vertrauen aufzubauen und ihr Team sicher in die Zukunft zu führen.

Auch das zeigt die Studie: Führungskräfte haben Probleme mit kooperativen Führungsmodellen.Es dominiert nach wie vor das Modell einer hierarchischen Führung. Nur 38 Prozent der befragten Nachwuchskräfte bescheinigen ihrem direkten Vorgesetzten, offen für Kritik zu sein. Auch die Förderung von Mitarbeitern ist noch keine Selbstverständlichkeit: Nur gut jede dritte Nachwuchskraft fühlt sich von ihrem Chef in der Umsetzung der eigenen Fähigkeiten und Potenziale begleitet und unterstützt.

Ebenfalls alarmierend: Die mangelnde Sicherstellung flexibler Arbeitszeiten und die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sind für junge Angestellte ein zentrales Hemmnis, später selbst Führungsverantwortung übernehmen zu wollen. Wie sollen sich Unternehmen so für die Zukunft wappnen? Langfristiges Wirtschaften kann nicht funktionieren, wenn die Nachwuchsförderung vernachlässigt wird. Kein Wunder also, dass jede fünfte Nachwuchskraft das Führungsverhalten des eigenen Chefs für nicht zukunftsfähig hält.

Statt am scheinbar Bewährten festzuhalten, setzen sich vorausschauende Chefs hingegen heute schon mit ihrem Führungsstil auseinander, lernen ihr Verhalten den neuen Situationen anzupassen und testen neue Formen der Zusammenarbeit.


 

Anforderungen an „Führung 4.0“

Um die Anforderungskriterien einer zukunftsfähigen Führungskraft genauer zu verstehen, ist es sinnvoll, sich im ersten Schritt mit den Herausforderungen und Megatrends auseinanderzusetzten, die das Anforderungsprofil moderner Führung bestimmen. Führung 4.0 – abgeleitet vom Begriff Industrie 4.0 – ist geprägt durch die Digitalisierung von Prozessen, die Vernetzung zwischen Menschen und Maschinen sowie Maschinen untereinander und autonome Systeme (künstliche Intelligenz).  Sie bildet einen Paradigmenwechsel ab vom klassisch-hierarchischen Command- and-Control zu einer sinnstiftenden Kommunikation mit motivierten Mitarbeitern auf Augenhöhe. Je technisierter die Arbeitswelt wird, desto wichtiger werden Führungskräfte mit emotionaler Intelligenz, mit Werten und Visionen und der Fähigkeit zum Perspektivenwechsel.


Folgende Anforderungenan eine digitale Arbeitswelt weist eine Studie der LeadershipGarage Research Group der Stanford University aus:

Workplace: Örtlich flexibel, zeitlich flexibel und funktional flexibel

Collaboration: Daten und Wissen teilen, vom Ich zum Wir, Treffpunkt Cloud

Empowerment: Mehr Verantwortung für den Einzelnen, mehr Partizipation und mehr Demokratie

Leadership: Führen auf Distanz, vernetzte und inspirierende Führung, Vertrauen aufbauen

Culture: Innovativ, visionär, Arbeit und Leben integrierend, disruptives Denken fördernd


Um diese neuen Anforderungen an eine immer digitaler werdende neue Arbeitswelt bewältigen zu können, werden folgende neue Kompetenzen und Fertigkeiten benötigt:

 

  1. Mit weniger Einfluss umgehen heißt: Führungskräfte müssen zunehmend Macht abgeben (Kontrolle ist nur eingeschränkt möglich), dafür die Eigenverantwortung bei den Mitarbeitern fördern. Das erfordert Vertrauen. Außerdem nimmt die Bedeutung partizipativer Führung zu.
  2. Die Beziehungsebene stärken: Insgesamt muss Führung sich mehr denn je an den Mitarbeitern orientieren und deren individuellen Bedürfnissen. Führung als Coaching und Enabling steht im Vordergrund; der Chef als bester technischer und fachlicher Spezialist tritt in den Hintergrund; Nähe zeigen, die richtigen Fragen stellen – auch ohne face-to-face-Kontakte; Positives akzentuieren und noch mehr als sonst konstruktives Feedback geben
  3. Kompetenzen erweitern: Führung auf Distanz gewinnt einen immer grösser werdenden Stellenwert. Die Diversität von Teams steigt und stellt neue Anforderungen. Veränderungen zu initiieren wird immer wichtiger und damit auch der Umgang mit Unsicherheit und Komplexität.
  4. Performance Management: Digitale Tools machen die Arbeitsleistung immer transparenter (KPI’s OKR’s)und erlauben eine Überprüfung in regelmäßigen Abständen; sie zielen auf die Ergebnisorientierung ab. In der Zukunft zählt weniger die Frage, wie viel Zeit und Ressourcen investiert wurden, sondern wie erfolgreich der Einsatz war.
  5. Gesundheit managen: Mehr Stress durch stärkere Vermischung von Arbeit und Privatem durch Flexibilisierung. Führungskräfte übernehmen für sich und ihre MItarbeitenden eine wachsende Verantwortung für die Gesundheit/Work-Life-Balance.
  6. Technologisierung von Führung: Führungskräfte müssen neue technische Tools, neue Medien und Kommunikationsformen erlenen und im Alltag beherrschen, um Vorbild bzw. Unterstützer sein zu können.
  7. Mit zunehmendem Druck umgehen: Mit der Digitalisierung steigt auch der Druck auf Führungskräfte. Der Alltag wird weiter beschleunigt. Führungskräfte sind gezwungen immer schneller zu reagieren und proaktiv zu handeln.
  8. Mitarbeitende coachen und fördern: wird immer wichtiger für wirksame Führung. Im Mittelpunkt stehen eine kontinuierliche und individuelle Weiterqualifizierung der Mitarbeiter (verbessertes Selbstmanagement sowie eigenverantwortliche Gestaltung des Lernprozesses).

     

Führen in Zeiten des Wandels

Um in der Zukunft erfolgreich zu sein, laufen Unternehmen um die Wette um sich zu verändern. Geschäftsmodelle, die Art der Arbeit und die Zusammensetzung der Belegschaften verändern sich radikal. Nur Unternehmen, die sich kontinuierlich wandeln, werden wettbewerbsfähig bleiben und ein attraktiver Arbeitgeber sein. Eine erfolgreiche Transformation hängt entscheidend davon ab, ob die Führungskräfte eines Unternehmens über das richtige Mindset und die richtigen Fähigkeiten verfügen. Führung kann das Engagement der Mitarbeiter um bis zu 70% positiv oder negativ beeinflussen. Was bedeutet das für die Führung in Zeiten des permanenten Wandels?


 

Das Mindset und die Fähigkeiten zukunftsfähiger Leader

Renate Wagner – Vorstand für Human Resources bei der Allianz SE – stellt auf dem Weltwirtschaftsforum 2020 die These auf, dass erfolgreiche Führung in der vierten industriellen Revolution mit dem richtigen Mindset anfängt. Folgende vier Eigenschaften hält sie für unverzichtbar.

  1. Neugier. Führungskräfte müssen ein „Growth Mindset“ kultivieren, wie es die amerikanische Psychologin Carol Dweck beschreibt. Während eine „fixe Denkweise“ eine ist, die neuen Informationen gegenüber resistent und verschlossen ist, sehen Menschen mit einer Wachstumsmentalität Herausforderungen eher als Chancen als als Hindernisse; sie betrachten Fehlermachen als Option.
  2. Belastbarkeit und Resilienz. Führungskräfte müssen belastbar sein, um mit den Veränderungen fertig zu werden. Untersuchungen von Zenger Folkman haben ergeben, dass die widerstandsfähigsten Führungskräfte als die effektivsten Führungskräfte angesehen werden.
  3. Wir-Mentalität. Diese Denkweise geht über die teamübergreifende Zusammenarbeit hinaus. Führungskräfte müssen Brückenbauer sein und über ihre eigenen Funktionen, Einheiten und Grenzen hinaus führen und Verantwortung übernehmen.
  4. Flexibilitätmit einer offenen Haltung zur Diversität. Gerade in global operierenden Unternehmen wird die kulturelle Anpassungsfähigkeit entscheidend sein.

     

Das richtige Mindset wird also Grundlage für die erfolgreiche Führung in der Zukunft sein. Mindset allein reicht laut Renate Wagner aber nicht aus. Führungskräfte müssen auch über die richtigen zukunftsorientierten Fähigkeiten verfügen, um effektiv zu sein.

Wenn die Transformation kontinuierlich ist, werden die Fähigkeit und der Mut, den Status Quo ständig und radikal in Frage zu stellen, von grundlegender Bedeutung sein. Zukünftige Führungskräfte sollten in der Lage sein, agil zu arbeiten; sie sollten IT-affin, digital kompetent und in der Lage sein, Geschäftsmodelle auf der Grundlage von Datenanalysen aufzubauen. Führungskräfte mit digitaler Kompetenz werden mit größerer Wahrscheinlichkeit Beiträge zum Wachstum des Unternehmens leisten und mit größerer Wahrscheinlichkeit  selbst wachsen als diejenigen mit begrenzten oder keinen digitalen Fähigkeiten. In dieser agilen und weniger hierarchischen Welt werden technische Fähigkeiten nicht ausreichen. Emotionale Intelligenz wird für dem Erfolg von Führungskräften in Zukunft unerlässlich sein. Je vielfältiger die Belegschaft, desto größer wird auch die Notwendigkeit, inklusiv und stärkenorientiert führen zu können. Inclusive Leadership ist unabdingbar, um sicherzustellen, dass alle Stakeholder auf der Transformationsreise mitgenommen werden.


 

Purpose Driven Leadership als wichtiger Motivationsfaktor und Orientierungsgeber – gerade in Krisenzeiten

Der aktuelle Gallup Engagement Index zeigt, dass 85 % aller Beschäftigten keine oder nur eine geringe emotionale Bindung zu ihrem Betrieb haben. Die Vermutung liegt nahe, dass diese 85 % überwiegend Dienst nach Vorschrift machen.

Es ist anzunehmen, dass sich jede Führungskraft Mitarbeitende wünscht, die hochmotiviert arbeiten, weil sie in ihrer Arbeit einen Sinn sehen. Doch wie lässt sich dieses Ziel erreichen?

Unternehmer und Führungskräfte stehen vor einem scheinbar unlösbaren Problem: sie können Mitarbeitende zwar anweisen, was sie zu tun haben und wie. Doch welchen Sinn diese darin zu sehen haben, können sie nicht vorgeben. Denn Sinn bzw. „Purpose“ müssen Menschen in ihrer Arbeit selbst finden. „Das ist mein Ding und ergibt für mich Sinn“. Diese Erkenntnis ist für die Arbeitsmotivation sehr wichtig, denn: Nur wer seinen Sinn oder sein „Warum“ gefunden hat, übernimmt Verantwortung. Laut dem Bestsellerautor und US-Unternehmensberater Simon Sinek („Frag immer erst warum“) müssen Unternehmen ihren Kunden und Mitarbeitenden einen übergeordneten Sinn aufzeigen, wenn sie langfristig Erfolg haben wollen. Der Ökonomiepsychologe Aaron Hurst griff Sineks Gedanken auf und erweiterte seine These um den individuellen Purpose - beruflich wie privat: Nur wenn ein Mensch wertschätzt, für wen und warum er arbeitet, und sich zudem identifiziert mit dem, wie er es tut, entsteht bei ihm ein Gefühl von Sinn und Zufriedenheit und die Bereitschaft eigeninitiativ Verantwortung zu übernehmen.

Insbesondere in schwierigen Zeiten funktioniert der Purpose auch als eine Art „innerer Kompass“ und kann Managern und Mitarbeitende Hoffnung und Mut verleihen. An einem Strang zu ziehen, zu wissen was jeder konkret beitragen kann, schafft Verbundenheit untereinander und erhält die Beziehung. Eine zentrale Herausforderung während der Coronapandemie war für die meisten Führungskräfte beim „Führen auf Distanz“, die Zugehörigkeit zum Team und zur Organisation aufrecht zu erhalten. Durch die Zunahme von Home Office-Arbeitsplätzen ist dieser Punkt mittlerweile Führungsalltag geworden.

Auch beim Besetzten von Schlüsselpositionen sollten Führungskräfte und Recruiter darauf achten, dass die Kandidaten zum Unternehmenspurpose passen. So fällt es zum Beispiel Menschen, die beim „Warum“ primär der Faktor Gerechtigkeit interessiert, vermutlich leichter, in einer Non-Profit-Organisation einen Sinn zu finden, als im Investmentbanking einer Privatbank. Auch werden diese Menschen vermutlich eher wenig Engagement und Kreativität darin zeigen, neue lukrative Steuersparmodelle für deren Top-Kunden zu entwickeln.

Unternehmen sollten daher klar kommunizieren, wofür sie stehen – nicht nur bei der Positionierung der Produkte am Markt, sondern auch in puncto Führung. Je klarer die Kommunikation, umso besser können sich potenzielle Mitarbeiter einfühlen, inwiefern sie persönlich in diesem Unternehmen einen Sinn in ihrer künftigen Arbeit finden könnten. Und umso weniger Zeit und Energie müssen später die Führungskräfte investieren, um ihren Mitarbeitern den großen Sinnzusammenhang aufzuzeigen. Denn diese sind von sich aus überzeugt: „Hier bin ich am richtigen Ort“ und entsprechend stark intrinsisch motiviert.


 

Selbstführung als Hebel Nummer 1 für erfolgreiches zukunftsfähiges Führen

Ob Sie nun gut aufgestellt sind in Bezug auf eine „zukunftsfähige Leadership“, kann – wie eingangs geschrieben –  in der Wahrnehmung Ihrer Mitarbeitenden durchaus abweichen von Ihrer eigenen Einschätzung. Einer der wichtigsten Hebel für erfolgreiches Führen ist eine gute Selbstführung. Nur wer ein klares Selbstbild hat, kann damit in der Folge andere erfolgreich führen. Nutzen Sie daher die Chance und beginnen Sie, Ihre Arbeitsweise und Verhalten kritisch zu reflektieren. Führungskräfte, die dies heute in Angriff nehmen, investieren sinnvoll in die Führungszukunft ihrer Organisation. Seien Sie sich auch bewusst, dass Ihre Mitarbeitende Sie womöglich anders wahrnehmen, als Sie es sich wünschen. Gleichen Sie beide Perspektiven regelmäßig miteinander ab.

Seien Sie empathisch dabei, hören Sie hin, wenn die potenziellen Führungskräfte der Zukunft ihre Bedürfnisse äußern. Es gibt viele Möglichkeiten, Arbeitsbedingungen motivierend zu gestalten – und Work-Life-Balance steht nicht im Widerspruch zu erfolgreicher Arbeit! Das ist leider eine Annahme, die noch in den Köpfen vieler Chefs verankert ist.

Haben Sie stattdessen Mut und Vertrauen in das Potential Ihrer Mitarbeitenden. Wenn Führungskräfte sich aktiv weiterentwickeln, spiegelt sich das auch in der Organisation wider. Sie fördern damit die Innovationskraft im Team und machen es fit für die Zukunft.


Seminarhinweis

UPDATE FÜHRUNG
Zukunftsfähiges Leadership

8./9. Mai 2023 in München
29./30. Juni 2023 in Frankfurt/M.


Seminarleitung: Sigrid Gillmeier-Dirks


www.management-forum.de/update

Autorin: Sigrid Gillmeier-Dirks, Management Trainerin
 

Sigrid Gillmeier-Dirks ist Diplom-Soziologin mit den Schwerpunkten BWL und Organisationspsychologie. Zwischen 1990 und 1995 arbeitete sie als interne Unternehmensberaterin im Headoffice der Allianz AG. Für weitere sechs Jahre war sie dort als Managementtrainerin und Organisationsentwicklerin beschäftigt. Als Leiterin eines internen Trainerpools sowie Projektmanagerin in diversen Business-Reengineeringprojekten sammelte sie in dieser Zeit eigene wertvolle Erfahrungen im Managen von Teams. Seit 2001 ist sie freiberuflich tätig als Trainerin, Coach sowie als Beraterin in Management und Organisation. Ihre Tätigkeitsschwerpunkte liegen unter anderem in der Teamentwicklung, der Potenzialdiagnose und in der Führungskräfteentwicklung. Sie engagiert sich sowohl für mittelständische als auch global operierende Unternehmen. Zu ihren Kunden zählen u.a. Audi, Allianz, SKF, Dt. Leasing, Technische Universität München, Max-Planck-Institut.

Quelle | Managementforum