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Wandel und Wachstum

18. November 2024

Walter stärkt seine Marktposition mit neuer Führung und strategischen Akquisitionen.

Nichts ist so beständig wie der Wandel – ein Leitsatz, der die aktuellen Entwicklungen bei Walter treffend beschreibt. Mit der Ernennung von Herrn Christoph Geigges (President und CEO der Walter AG) vor zwei Jahren zum neuen Geschäftsführer steht das Unternehmen an der Schwelle zu einer neuen Ära. Auch die jüngste Akquisition von Frezite in Portugal vor zwei Jahren, durch die 450 neue Mitarbeiter zur „Walter Familie“ gestoßen sind, zeigt die ambitionierten Ziele des Unternehmens. Diese strategischen Entscheidungen sind Teil eines klar definierten Kurses, sich in der dynamischen Werkzeugindustrie weiterzuentwickeln. Besonders im Hinblick auf die Elektrifizierung der Automobilindustrie ist der Wandel unverkennbar. Während Walter in vielen Werkstoffen bereits stark positioniert ist, gab es in der Leichtmetallbearbeitung noch Nachholbedarf. Um hier eine größere Präsenz zu erreichen, wurde ein stabiler Partner gesucht – und in Frezite ein vielversprechendes Unternehmen gefunden. Dieses bietet nicht nur entscheidende Expertise im Bereich der PKD- Werkzeuge, sondern darüber hinaus auch innovative Lösungen in der Werkstückhalterung, die für Walter interessantes Neuland darstellen, um sich zum Gesamtanbieter zu positionieren. Seit der Akquisition, die nun fast zwei Jahre zurückliegt, hat Walter FMT erfolgreich am Markt etabliert. Mit einem klaren Fokus auf die Zukunft ist das Unternehmen bereit, seinen Platz in der Branche zu festigen und die Innovationskraft weiter auszubauen. Christoph Geigges, der zuvor als CFO bei Walter tätig war, bringt frischen Wind und neue Perspektiven in diese spannende Phase der Unternehmensentwicklung und stellt sich den Fragen im Interview.


DIAMOND BUSINESS: Gibt es den Standort von FMT in Balingen noch, oder wurde er im Zuge der Akquisition geschlossen?


 

Christoph Geigges: Der Standort in Balingen existiert nicht mehr. Wir hatten bereits einen PKD-Werkzeugstandort in Niefern, der ebenfalls nicht weit entfernt ist. Wir haben uns entschieden, beide Standorte zusammenzulegen, da der bestehende Walter-Standort größer ist und ein umfangreicheres Portfolio sowie umfassendere Serviceleistungen bietet. Diese Entscheidung ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten und unseren Kunden optimale Sonderwerkzeuglösungen anzubieten. Fast alle Mitarbeitende sind zum anderen Standort gewechselt, was uns ermöglicht hat, wertvolle Kompetenzen zu bewahren. Auch wenn der Arbeitsweg möglicherweise länger ist, freuen wir uns, dass wir viele erfahrende und talentierte Mitarbeitende halten konnten.


 

Wie hat die Integration von FMT das Portfolio von PKD-Werkzeugen erweitert oder verändert, und welche neuen Möglichkeiten ergeben sich dadurch für Walter?


Durch die Integration von FMT hat sich unser Volumen mehr als verdoppelt und im Bereich der PKD-Werkzeuge sogar nahezu verdreifacht. Gleichzeitig konnten wir unser Know-how erheblich erweitern und den Austausch im Team fördern. Dadurch sind neue Ideen und komplexere Werkzeuge entstanden, was unseren Fokus auf die Bedürfnisse unserer Kunden wieder stärkt. Früher lag der Schwerpunkt bei den PKD-Werkzeugen, die zu 99 Prozent Sonderanfertigungen sind, nicht immer an oberster Stelle. Jetzt sind wir jedoch einige Schritte nach vorne gegangen: Unser klarer Kundenfokus, das erweiterte Know-how und die neuen, komplexeren Werkzeuge haben unser Portfolio im PKD-Bereich entscheidend verbessert.


Wo sehen Sie die einzigartigen Stärken und Ansätze von Walter FMT im Bereich der PKD-Werkzeuge? Wie heben Sie sich ab von anderen Herstellern?


Für uns ist es wichtig zu betonen, dass wir uns in Bezug auf Know-how und Volumen signifikant weiterentwickelt haben. Obwohl wir noch nicht zu den größten Akteuren im PKD-Bereich gehören, sind wir jetzt deutlich interessanter und namhafter als zuvor. Walter war bisher nicht primär für PKD bekannt, doch mit Walter FMT verfolgen wir einen neuen Ansatz. Der Nutzen für unseren Kunden liegt in unserem umfassenden Angebot: In der Aluminiumbearbeitung bieten wir nicht nur PKD-Werkzeuge, sondern auch Hartmetalllösungen an. Walter steht für Ingenieurskompetenz – wir arbeiten eng mit unseren Kunden
zusammen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Von der Designphase über die Werkzeugproduktion bis hin zum Service setzen wir unsere Ingenieurleistung ein, um kontinuierliche Verbesserungen zu erzielen. Es geht uns nicht nur um einfache PKDWerkzeuge, sondern um Engineering- Lösungen, die unseren Kunden echten Mehrwert bieten. Dieses Konzept ist der Kern unserer Differenzierung im Markt.
Darüber hinaus umfasste die Frezite-Akquisition auch Spannvorrichtungen für Werkstücke. Auf der Plattform des Gesamtanbieters ergänzt dies unser Angebot um wichtige Elemente. Zudem kamen Messsysteme für die Nachbearbeitung hinzu. Jetzt sind wir in der Lage, ganzheitliche Lösungen anzubieten, die die Ingenieurskompetenz widerspiegeln, für die Walter steht.


Was ist Ihre langfristige Vision für Walter FMT und welche Ziele streben Sie dabei an?


Wir streben an, im Bereich PKD und Leichtbearbeitung als etablierter Name wahrgenommen zu werden. Unser Ziel ist es, kontinuierlich zu wachsen, Marktanteile zu gewinnen und schließlich zu den großen Akteuren in der Branche zu gehören. Dafür haben wir einige wichtige Meilensteine vor uns. Es gibt zahlreiche Märkte, die wir noch erschließen können, in denen Walter bereits präsent ist. Besonders im Bereich der Feinbearbeitung von Bohrungen in Stahl- und Gussmaterialien, haben wir zwar Kunden, sind aber mit Walter FMT noch nicht prominent vertreten. Unser Ziel ist es, ein agiler und innovativer Partner für verschiedene Geschäftsbereiche zu werden und unsere Präsenz vor Ort zu stärken.


Welche Rolle spielt das Technologiezentrum in Tübingen für Ihre Kunden, und wie wichtig ist es für die Weiterentwicklung von Walter?


Das Technology Center in Tübingen ist von großer Bedeutung für uns. Hier konzentrieren wir uns darauf, gemeinsam mit unseren Kunden detaillierte Lösungen zu entwickeln. In gewisser Weise ersetzt es auch zum Teil die traditionellen Messen, da wir direkt vor Ort an Kundenlösungen arbeiten können. Zusätzlich haben wir ein ähnliches Technologiezentrum in den USA eröffnet, das ebenfalls eine entscheidende Rolle
für unsere Weiterentwicklung spielt. Beide Zentren tragen maßgeblich zum Erfolg von Walter bei.


Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach die Konzentration auf internationale Märkte für die zukünftige Entwicklung von Walter, insbesondere in Bezug auf das neu eröffnete Technologiezentrum in den USA?


Seit Mitte 2019 haben wir hier in Deutschland tatsächlich eine herausfordernde Marktlage, besonders in der Automobilbranche. Die Corona-Pandemie und die anschließende Erholung haben das Ganze nicht einfacher gemacht. Der Markt ist stagnierend, und es ist schwierig, Volumen zu gewinnen, da viele Anbieter, insbesondere aus Asien, über Preiskampf in den Markt drängen. Gleichzeitig bin ich aber optimistisch, dass Deutschland mit seiner Innovationskraft und der starken Industrie das Potenzial hat, einen Wachstumszyklus einzuleiten. Automatisierung und andere Entwicklungen könnten hier eine Schlüsselrolle spielen. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir es schaffen können, wieder an Fahrt zu gewinnen. Dennoch verfolgt Walter derzeit die Strategie „Go Global“. Vor diesem Hintergrund erschließen wir neue Märkte
und möchten uns nicht zu stark auf die hiesigen Märkte verlassen.


Welche Märkte sind derzeit für Walter die Wichtigsten?


Der größte und wichtigste Markt bleibt nach wie vor Deutschland. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die USA und China, die ebenfalls eine entscheidende Rolle in unserer Geschäftsentwicklung spielen.


Welche Überlegungen liegen hinter der Entscheidung, in diesem Jahr nicht an der AMB in Stuttgart teilzunehmen, und planen Sie, in Zukunft wieder dort präsent zu sein?


Mein Vorgänger war der Ansicht, dass Messen nicht unbedingt das optimale Marketinginstrument für Walter sind, und zudem hatten coronabedingt die Messen in den letzten Jahren schwierige Zeiten. In meiner Rolle als Vorstandsvorsitzender habe ich letztes Jahr die EMO in Hannover besucht und war nun auch auf der AMB. Mein Eindruck und meine Meinung sind mittlerweile anders. Ich denke, wir sollten die Messebeteiligungen sorgfältig evaluieren und prüfen, welche für uns sinnvoll sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass Walter in Zukunft wieder auf der AMB vertreten sein wird. Die Technologiezentren werden ebenfalls von entscheidender Bedeutung sein. Denn dort können wir kundenspezifische Lösungen und Präsentationen hervorragend umsetzen. Dort haben wir die Möglichkeit, sehr spezialisiert über uns und unser Gesamtangebot zu sprechen und können eng mit unseren Kunden zusammenarbeiten.


 

Welche Veränderungen gab es im Außendienst seit der Integration der Kompetenzmarke Walter FMT?


Ich bin überzeugt, dass wir näher am Kunden sein müssen und uns stärker auf die Kunden, die PKD-Werkzeuge anwenden, spezialisieren sollten. In Deutschland haben wir deshalb Teams aufgebaut, die sich intensiv mit PKD-Werkzeugen und den Bedürfnissen unserer Kunden beschäftigen. Das ist eine neue Entwicklung, die mehr und mehr vorangetrieben wird und es zeigt sich bereits jetzt, dass es sich in eine
positive Richtung bewegt.


Herr Geigges, wie schaffen Sie es, den hohen Erwartungen und dem Druck als doch recht junger Vorstandsvorsitzender gerecht zu werden?


Der Druck in einem Konzern kann in der Tat eine andere Dimension haben als beispielsweise in einem Familienunternehmen. Es ist wichtig, die strategischen Entwicklungen klar im Blick zu haben und gleichzeitig, die finanzielle Realität zu berücksichtigen. Die Balance zwischen diesen Aspekten erfordert eine sorgfältige Priorisierung und Kommunikation innerhalb des Teams. Dabei ist es klug, nicht alle Belastungen auf die Mitarbeiter zu übertragen, sondern sie entsprechend ihrer Rolle und Verantwortung einzubinden. Durch meine zwei kleinen Jungs und durch Sport finde ich eine gute Möglichkeit, um abzuschalten und den Kopf freizubekommen. Die Auszeiten sind entscheidend, um langfristig leistungsfähig und fokussiert zu bleiben. So kann ich sowohl für das Unternehmen als auch für mein Team eine stabile und verlässliche Unterstützung sein.


 

Wer ist für Sie ein guter Ratgeber?


Ein wichtiger Ratgeber ist das Walter- Managementteam, bestehend aus meinen engsten Mitarbeitenden. Wir stimmen uns regelmäßig ab und diskutieren offen über verschiedene Themen; Offenheit und Transparenz sind dabei entscheidend. Darüber hinaus habe ich ein kleines, starkes Netzwerk aus Mentoren und erfahrenen Kolleginnen und Kollegen, die mir wertvolle Perspektiven aufzeigen. Ein pensionierter Mitarbeiter von Walter unterstützt mich beispielsweise als technischer Trainer, um unsere Produkte noch besser zu verstehen. Auch der Austausch mit unseren Kunden ist für mich sehr wichtig. Ich bemühe mich,
eine breite Basis an Informationen und Unterstützung zu schaffen, um fundierte Entscheidungen im Sinne von Walter treffen zu können.


 

VITA CHRISTOPH GEIGGES


Geboren und aufgewachsen ist Christoph Geigges am Bodensee im Kreis Konstanz. Nach dem Abschluss eines dualen Studiums der Betriebswirtschaftslehre zog es ihn zunächst in die Schweiz, wo er seine Karriere im Finanzbereich eines Unternehmens der Aluminiumverarbeitung begann. Anschließend wechselte er in die Pharmaindustrie. Dort verfolgte er über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren eine internationale Finanzkarriere. In dieser Zeit sammelte er erste Führungserfahrungen, es folgte ein Aufenthalt in Dubai und später wurde er Co-Geschäftsführer in Saudi- Arabien. Aufgrund der familiären Situation entstand der Wunsch, nach Deutschland zurückzukehren. Auf der Suche nach einem internationalen Unternehmen stieß Christoph Geigges auf Walter, was ihm neue Perspektiven eröffnete. Seit vier Jahren ist er nun bei Walter tätig, zunächst als CFO und seit zwei Jahren als CEO. Er blickt auf eine erfolgreiche Laufbahn zurück und ist stolz auf seine Rolle als Vorstandsvorsitzender. Bei Walter sieht er sich als Lernenden, und sein Arbeitsalltag ist geprägt von zahlreichen Gesprächen und dem Austausch mit vielen Menschen. Geschätzt wird Herr Geigges für seine sympathische Art, und seine Offenheit, die ihn im Unternehmen sehr beliebt machen. Christoph Geigges ist stets gesprächsbereit, hört gut zu und nimmt gerne verschiedene Perspektiven ein. Gemeinsam mit seinem Team arbeitet er nun daran, Walter auf eine neue Erfolgsstufe zu heben und die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen.


Wie werden die Produkte der Zukunft aussehen?


Das ist in der Tat eine komplexe Frage! Die Produkte der Zukunft müssen sich stark an den zukünftigen Kundenbedürfnissen orientieren, insbesondere im Bereich PKD. In Deutschland wird der Fokus stark auf Effizienz und Produktivität liegen. Innovative Lösungen werden entscheidend sein, um diese Ziele zu erreichen. Wir können nicht mit den Löhnen aus Ländern wie Osteuropa oder Asien konkurrieren, sondern müssen unsere Innovationskraft, Effizienz und Automatisierung in den Vordergrund stellen. Eine enge Zusammenarbeit mit Maschinenbauern und die Integration von Werkzeugen mit Sensoren sind ebenfalls wichtig, um beispielsweise den optimalen Zeitpunkt für den Austausch von Wendeschneidplatten oder Werkzeugen zu bestimmen. Nachhaltigkeit wird ebenfalls eine zentrale Rolle spielen, insbesondere in Bezug auf die Wiederaufarbeitung von PKD-Werkzeugen. Das erfordert ein ganzheitliches Denken und innovative Ansätze, um den Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden.


Quelle | DIAMOND BUSINESS